Ich denke seit ein paar Monaten intensiv darüber nach, was einen mütterfreundlichen Job ausmacht. Knapp ein Jahr ist es her, dass wir momjobs.de – die Jobbörse für ambitionierte Mütter – übernommen haben. Was stärkt gerade die Frauen mit Kindern nachhaltig? Und was können Arbeitgebende tun? Ich höre und lese immer wieder: Flexibilität und mobiles Arbeiten. Vielleicht die Möglichkeit des pünktlichen Feierabends, Verständnis in Notfallsituationen, Kinderbetreuungsangebote und keine Meetings nach 16 Uhr. Ja!!! Aber auch nein. Mir fehlt in dieser Diskussion nämlich das entscheidende Kriterium: ein überdurchschnittliches Gehalt.

Lasst uns über die Gehälter von Frauen sprechen …

Frauen verdienen in Deutschland 18 Prozent weniger als Männer.¹ Das dürfte die meisten von uns nicht mehr wirklich schocken. Auch weibliche Teilzeitarbeit ist Arbeitgebenden 17 Prozent weniger wert als weibliche Vollzeitarbeit.² Das heißt, wir haben nicht nur ein Gefälle zwischen den Geschlechtern, sondern auch das Problem, dass Unternehmen Teilzeitarbeit pauschal abwerten. Da Mütter die Hauptlast der Carearbeit im Haushalt und bei der Kindererziehung tragen, sind sie in der Regel gezwungen ihre Arbeitszeit zu reduzieren und in familienfreundlichere Jobs zu wechseln.³ Auch weil Männer mehr arbeiten, wenn sie Väter werden.⁴ Jobs, die sich mit dem Familienleben vereinbaren lassen, sind allerdings deutlich weniger lukrativ.⁵ Andersrum ausgedrückt: Familienfreundliche Unternehmen müssen rund 12 Prozent weniger Gehalt zahlen, um Bewerbende zu überzeugen.⁶

Gehalt: das Kriterium für die Mütterfreundlichkeit von Unternehmen?

Dabei bin ich mittlerweile der Meinung, ein attraktives Gehalt ist eines der entscheidenden Kriterien beim Thema Mütterfreundlichkeit. Warum? Weil viele Frauen ohne Partner im Grunde nicht überlebensfähig sind, sobald das erste Kind da ist. Das gilt leider nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft wie Studien zeigen. Vor der Familiengründung sind die meisten Paare finanziell noch auf Augenhöhe. Mit der Geburt des ersten Kindes „bricht das Einkommen der Mutter jedoch unmittelbar um fast 80% ein und ist auch zehn Jahre später noch ca. 55% niedriger, wohingegen das Einkommen der Väter unbeeinflusst bleibt.“⁷ Dieses Phänomen wird auch Child Penalty genannt. Also die Bestrafung fürs Kinderkriegen.

Falsche Anreize locken Mütter in die Fürsorgefalle, für sie der finanzielle Todesstoß

Mit schuld sind unter anderem falsche staatliche Anreize für eine ungleiche Arbeitsteilung innerhalb der Ehe. Das Ehegattensplitting sowie die beitragsfreie Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse fördern das Spezialisierungsmodell. Mütter übernehmen den Löwenanteil Zuhause, während die Väter als Erstverdienende Karriere machen.⁸
Diese Logik der Familienökonomie hat im Vergleich zu früher jedoch gleich zwei Schwächen. Erstens ist das New-Home-Economics-Modell des Nobelpreisträgers Gary Becker nicht genderneutral gedacht.⁹ Damals ging man noch davon aus, dass Frauen eben biologisch dafür geschaffen seien, sich um Kinder zu kümmern. Mittlerweile weiß man aber, dass der Mutterinstinkt ein Mythos ist und Väter sich genauso gut um Kinder und Haushalt kümmern können wie ihre Frauen.¹⁰
Zweitens ist die Scheidungsrate deutlich höher als in den 60er und 80er Jahren. 35 Prozent der Paare lassen sich scheiden.¹¹ Die Hälfte davon hat mindestens ein minderjähriges Kind.¹² Auch kann der Tod des Partners dazu führen, dass der Hauptverdienst wegfällt und dieser durch die Frau ausgeglichen werden muss.
Die Anzahl der Alleinerziehenden wächst stetig. Neun von zehn Kindern leben nach einer Trennung weiterhin bei der Mutter.¹² Die Fürsorgelast bleibt für sie also mindestens gleich, während aber nur ein Viertel der Väter den vollen Unterhalt zahlt.¹³

Lebenslange Humankapitalverluste am Arbeitsmarkt durch Mutterschaft und Teilzeit

Sowohl das Scheidungs- als auch das Unterhaltsrecht drängen auf eine rasche Reintegration der Mutter in den Arbeitsmarkt. Obwohl zuvor das genaue Gegenteil gefördert wurde.¹⁴ Absurd. Letzteres ist nett gedacht, sollten Unterhaltsreformen doch dazu beitragen, dass Frauen nach einer Trennung direkt wieder auf eigenen Beinen stehen und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Spoiler: das können sie in vielen Fällen nicht.
Alleinerziehende sind die am schnellsten wachsende Familienform in Deutschland¹⁵ und ein Drittel der Solo-Eltern sind trotz Job auf Sozialleistungen angewiesen.¹⁶ Zu wenig berücksichtigt wurde nämlich, dass die Familiengründung in der Regel während der entscheidenden Karrierejahre stattfindet. Mütter verpassen nicht nur den Sprung auf die Karriereleiter, sondern haben durch die Arbeitszeitreduzierung zugunsten der Familie oft auch keine Chance mehr auf einen Lohnanstieg im weiteren Verlauf des Berufslebens. Der wird nämlich in Vollzeitphasen realisiert.¹⁷ Ihr Humankapital ist dann am Arsch. Totalschaden. Mütter müssen in jedem Fall mit lebenslangen finanziellen Einbußen rechnen, was katastrophale Folgen bis ins hohe Alter haben kann.

Carearbeit: „Then who the fuck is gonna make it?“

„Selbst schuld“, könnten wir sagen. „Hätten sie halt mehr gearbeitet.“ Was wir jedoch gern vergessen: natürlich können wir darüber streiten, ob private Fürsorge nun Arbeit ist und bezahlt werden sollte. Wir dürften uns aber alle einig sein, dass sie Arbeit macht. Den Haushalt zu schmeißen und die Kinder zu betreuen kostet Zeit und Energie, die dann eben nicht in den Job investiert werden kann. Irgendjemand muss es ja machen. Zudem zeigen Studien, dass Frauen sogar dann mehr unbezahlte Carearbeit leisten, wenn sie die Hauptverdienerinnen sind und der Partner weniger oder gar nicht arbeitet.¹⁸ Sozusagen als Wiedergutmachung, dass sie nicht dem westdeutschen Rollenklischee entsprechen.
Letztlich ist es doch so: wir als Gesellschaft wollen, dass Mütter in die Fürsorgefalle tappen. Darum lockt der Staat sie ja auch mit Anreizen für eine ungleiche Aufteilung der Erwerbs- und Carearbeit in das Lebkuchenhäuschen, das so lecker aussieht. Was die Mütter dort erwartet? Der finanzielle Todesstoß.
Als Beispiel: eine 3-fache Mutter aus dem westdeutschen Raum verliert durch die Mutterschaft ganze 70% ihres Lebenseinkommens.¹⁹
Meinen persönlichen Aha-Moment dazu hatte ich beim Lesen des Buchs „Musterbruch – Überraschende Lösungen für wirkliche Gleichberechtigung“, indem Patricia Cammarata die Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Gisela Notz zitiert, die sagt, dass die Kleinfamilie „die billigste Einrichtung zur Versorgung von Kindern, Pflegebedürftigen und alten Menschen ist.“ Autsch. Frauen dürften nicht auf die Idee kommen, diese unbezahlte Fürsorgearbeit nicht mehr leisten zu wollen, denn dann würde das System kollabieren.

7 Handlungsideen für Unternehmen, die Mütter stärken möchten:

Was können Arbeitgebende also tun, um ihre weiblichen Mitarbeitenden mit Kindern wirklich langfristig zu stärken?

Hier ein paar Ideen:

  1. Frauen im Unternehmen genauso bezahlen wie männliche Kollegen, im Zweifel 18 Prozent aufs Gehalt draufschlagen, dann gehen die weiblichen Mitarbeitenden bei der Familiengründung vielleicht nicht so selbstverständlich in Elternzeit, weil der Partner doch so viel besser verdient.
  2. Teilzeitarbeit aufwerten: zahlt euren Teilzeitmitarbeitenden 17 Prozent mehr Gehalt, um das finanzielle Gefälle zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit auszugleichen. Idee: realisiert eine solche Gehaltserhöhung doch direkt beim Wiedereinstieg nach der Elternzeit. Natürlich wäre mehr Wertschätzung auch toll.
  3. Ermöglicht allen Mitarbeitenden, unabhängig von der Wochenarbeitszeit, einen beruflichen Aufstieg und entsprechende Weiterbildungen, um ihr Humankapital zu stärken.
  4. Bietet euren weiblichen Mitarbeitenden aktiv Finanzbildung von Frauen für Frauen an. Vorträge, Workshops oder persönliche Finanz-Coaches.
  5. Bezuschusst oder übernehmt die Kosten für haushaltsnahe Dienstleistungen, die eure Mitarbeitenden entlasten.
  6. Sorgt für eine vernünftige Betriebsrente, die auch nochmal ganz besonderes Augenmerk auf das Schließen von Rentenlücken legt.
  7. Überlegt euch Wege, wie ihr es ermöglichen könnt, dass Mütter insgesamt mehr Wochenstunden arbeiten können, ohne die Vereinbarkeit zu crashen. Beispielsweise indem ihr Remote Jobs anbietet und/oder die Arbeitszeiten flexibilisiert.

Fazit

Die meisten Mütter stehen finanziell schockierend schlecht da. Mutterschaft ist ein Armutsriskio. Unternehmen sitzen an der Quelle, dass das nicht so bleibt. Klar sollten wir auch über weitere familienfreundliche Benefits diskutieren, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Alltag erleichtern. Und natürlich sind auch die essentiell für Mütter, keine Frage. Aber lasst uns nicht länger über das Kernproblem schweigen: Diamonds are the moms best friends.

Wie denkt ihr darüber?

Quellen:

1. Das Journal zum Equal Pay Day 2024, S. 4 | 2. Gallego Granados et al. 2019 zitiert nach „Die langfristigen Folgen ehelicher Spezialisierung bei Scheidung S. 42 | 3. Lott, Y. und L. Euglem (2019), „Lohnnachteile durch Mutterschaft: Helfen flexible Arbeitszeiten?“, WSI Report 49, Düsseldorf. | 4. Musterbruch S. 104 | 5. Lott und Eulgem 2019 | 6. Studie von Anja Quedna 2019 | 7. Die langfristigen Folgen von ehelicher Spezialisierung bei Scheidung S. 43 | 8. Die langfristigen Folgen von ehelicher Spezialisierung bei Scheidung S.41. | 9. Die langfristigen Folgen von ehelicher Spezialisierung bei Scheidung S.41 | 10. Mythos Mutterinstinkt | 11. Statista 2022, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/76211/umfrage/scheidungsquote-von-1960-bis-2008/ | 12. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/chancen-und-teilhabe-fuer-familien/alleinerziehende#:~:text=In%20der%20Zeit%20von%201996,F%C3%A4llen%20ist%20dies%20die%20Mutter. | 13. Musterbruch S. 161 | 14. Die langfristigen Folgen ehelicher Spezialisierung bei Scheidung | 15. Musterbruch S. 227 | 16. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/familie/chancen-und-teilhabe-fuer-familien/alleinerziehende/allein-und-getrennterziehende-foerdern-und-unterstuetzen-73552#:~:text=Rund%2034%20Prozent%20aller%20Haushalte,ihre%20Familien%20sind%20besonders%20armutsgef%C3%A4hrdet. | 17. Die langfristigen Folgen ehelicher Spezialisierung bei Scheidung, S. 42 | 18. Musterbruch S. 18 | 19. Bertelsmann Stiftung zitiert nach „Auf Kosten der Mütter“ S. 9

Über mich:

Hey, ich bin Jana Berger, Mit-Geschäftsführerin der Job-Plattformen momjobs.de, familienfreundliche-arbeitgeber.de und familienfreundliche-jobs.de! Dort haben wir aktuell monatlich bis zu 40.000 Nutzer*innen. Auf Instagram erreichen wir weitere 4-6 Mio Konten pro 30 Tage. Das zeigt: Familienfreundlichkeit ist ein heißes Thema! 🔥

Ich bin 33 Jahre, Mama von zwei Kindern (7 & 3) und mich interessiert alles rund um die Themen Familienfreundlichkeit, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, New Work, Soziale Ungleichheit und Mentale Gesundheit.

Seit diesem Jahr studiere ich deshalb berufsbegleitend Soziale Arbeit und hoffe, dass ich so mit meinem Wissen in Zukunft noch mehr Menschen in ein familienfreundlicheres Leben helfen kann.

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